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AutorenbildAntje Hirt

Michael

Aktualisiert: 26. März 2023


... Davide oder Demenz - Leben zwischen Glanz & Blues. Du hast dir schon viele Namen gegeben. Weil du dich nicht festlegen lässt. Weil du wandelbar bist.

Unser erstes Zusammentreffen war eine Auseinandersetzung. Zu Beginn spannend für mich. Nach zwei Nächten ermüdend für uns beide. Zwei Skorpione. Die damals beschlossen, dass sie nicht zusammen passen und deshalb getrennte Wege gehen.


Zusammen geführt hat uns aber nicht das Demenzthema, sondern Ursula. Die besondere Dackeldame mit den treuen Augen. Dieses Bild erregte meine Aufmerksamkeit. Ein Dackel mit Ausstrahlung, die sogar übers Netz wirkte. Erst im zweiten Schritt fand ich deinen Blog. Demenz-Leben zwischen Glanz & Blues

Das muss 2017/18 gewesen sein. Und ich glaube, Ursula wacht all die Jahre schon über uns. Denn selbst jetzt, einige Jahre später, gibt es uns noch.


Viel ist passiert in den Jahren dazwischen. Mal nanntest du mich schöne Frau, irgendwann Freundin, manchmal Quell deiner Infos und kürzlich Kratzbürste. Das bin ich alles, und noch viel mehr. Und du sagst mir das ins Gesicht. Es ist dir egal, was dein Gegenüber mit deiner Meinung macht. Du hast sie einfach. Manchmal ist das im ersten Moment nicht angenehm. Manchmal möchte man einfach davon rennen. Was ich über die Jahre lernen durfte: Es steckt nicht nur viel Wahrheit in deinen Worten, sondern auch viel Lernpotential. Und du wünscht dir einen Austausch. Einen, der dich selbst weiter bringt in deinem Denken und Begreifen. Einen, der die Menschen weiterbringt in ihrer Selbsterkenntnis.


Und du hast dich bei mir gemeldet. Immer wieder. Wenn du ein Ventil brauchtest, weil du eine Auseinandersetzung hattest mit einer Dozentin, die dir in einem Kurs etwas über Demenz erzählen wollte. Wenn du einen Rat brauchtest betreffend Ausbildungskurs für deinen Mann. Wenn du übers Sterben nachgedacht hast. Wenn dir die Demenzszene starr und bieder vorkam. Wenn deine Tage anstrengend waren, aber auch wenn du sie geniessen konntest. Wenn es Hundedramen gab. Wenn du einen Roman zu empfehlen hattest. Wenn du Visionen von deinem Alt werden entwickelt hast. Als deine Ma gestorben ist. Wenn du in deinem Pflegejob entsetzliche Dinge erleben musstest. Wenn Menschen angezweifelt haben, dass du eine Demenz hast. Wenn du tagelang ein bestimmtes Wort gesucht hast, was dir nicht einfallen wollte. Wenn du beruhigende Worte brauchtest, um eine Herausforderung zu meistern.


Eine solche Herausforderung war die Eröffnungsrede beim zweiten Demenzmeet in Zürich im August 2018. Ich war bereits beim ersten Meet dabei und erfuhr, dass Daniel Wagner für das zweite Meet Menschen mit Demenz sucht, die bereit sind sich zu zeigen und über sich selbst zu sprechen. Du bist mir sofort in den Kopf geschossen und ich machte Daniel den Vorschlag. Lange hörte ich nichts. Bis du dich bei mir meldetest mit der Frage: Kennst du einen Daniel Wagner?


Der Kontakt war zustande gekommen. Und dein Abenteuer Schweiz begann. Die Reise, die Rede, die Menschen, der Dialekt. Über alles hast du dir vorher viele Gedanken gemacht. So viele, dass du bereit warst alles hinzuwerfen und abzusagen. Letztendlich hast du das nicht. Du hast das durchgezogen. Du hast dich gezeigt. Du hast mit Worten gesprochen, die die Menschen begeistert haben. Du hast Beifall geerntet und Aufmerksamkeit für deinen Blog bekommen. Dadurch konntest du dich stärker konfrontieren und bekamst auch mehr Gegenwind. Es gab Blogbeiträge, die sich über 7000 Menschen angeschaut haben. Du warst überrascht.


Wir tauschten uns ab diesem Zeitpunkt regelmässig aus. Du hast mir von eueren Thailandreisen berichtet, ich dir von unseren Italienferien. Du hast eine Gemeinsamkeit auf meiner Website entdeckt. Yoga. Du warst es auch, der mich immer wieder darauf aufmerksam machte, dass meine Texte zu kompliziert sind, um zu verstehen. Und du glaubtest an die Idee vom Yoga für jung Betroffene. Daran, dass Yoga viel für Menschen mit Demenz tun kann. Da hast du nicht locker gelassen. Weil du es selbst praktizierst. Du warst überzeugt davon, mein Angebot sollte beim dritten Demenzmeet unbedingt dabei sein. Und ich habe es angeboten. Gemeinsam mit der wunderbaren Eva Blanco

Du hast teilgenommen und warst wiederum der Kritiker und Entwickler. Hast mir gezeigt, welche Musik dich beruhigt und begleitet, welche Meditationsstimme du beruhigend findest. Heute, an deinem Geburtstag, frage ich mich, ob du weisst, wie wertvoll dein Wirken ist?


Ich habe dir Zürich gezeigt.


Du hast mir Berlin gezeigt.


Ich habe die Entstehung deines Buches miterleben dürfen. Du hast meine Erfahrungen im neuen Job mitverfolgt. Du hast mir deine Worte für meine Website geschenkt, ich habe die Bilder meiner eigenen Herausforderung ergänzt. Die ersten Schritte des Versuches zu Zeichnen. Es fühlt sich an, als hätte alles so sein müssen. Unser ständiges Annähern und Abstand nehmen. So natürlich und doch spannend. Vertraut und immer wieder auch fremd.

Lieber Michael, ich wünsche dir zu deinem Geburtstag, dass du weiterhin der Welt erzählen kannst, was du erlebst. Dein Innenleben beschreibst, in deiner wunderbaren Ausdrucksweise und mit "uns" (Wer sind wir? Können wir uns tatsächlich "nicht Betroffene" nennen? Wer weiss das schon genau) nicht so sehr verzweifelst, dass du alles hinwirfst. Lass uns teilhaben. Und scher dich nicht darum, ob wir damit umgehen können.

Herzlichst

Antje


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